Ganz aktuell hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass SGB II-Empfänger, die in der Gastronomie arbeiten, Trinkgelder bis zu einer Grenze von 10 % des Regelbedarfs (aktuell 44,90 Euro monatlich) anrechnungsfrei behalten können. Darüber hinausgehende Trinkgelder werden dann jedoch auf die Leistungen des Jobcenters angerechnet (Az: B 7/14 AS 75/20 R).

Das BSG hat dazu in seinem Terminsbericht u.a. ausgeführt (https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2022/2022_07_13_B_07_14_AS_75_20_R.html):

„Das zugeflossene Trinkgeld ist bei der Berechnung des Alg II nicht als Einkommen zu berücksichtigen … .

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld (oder Geldeswert) abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Trinkgeld ist Einkommen in diesem Sinne. Es ist allerdings gleichwohl hier nicht als Einnahme bei der Berechnung des Alg II zugrunde zu legen. Denn es handelt sich bei Trinkgeld um eine nicht zu berücksichtigende Zuwendung iS des § 11a Abs 5 SGB II. 

Nach § 11a Abs 5 SGB II sind Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre (Nr 1) oder (Nr 2) soweit sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Trinkgeld ist hier eine Zuwendung im vorbenannten Sinne; es wird freiwillig und ohne Rechtspflicht gegeben. Der Trinkgeldzahlung lag auch keine vertragliche oder konkludente Vereinbarung zu Grunde, wie zB im Zusammenhang mit einem Austauschvertrag im Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung gegenseitiger Verpflichtungen – etwa ein Arbeitsvertrag.

Zwar wäre die Berücksichtigung des Trinkgeldes bei der Berechnung des Alg II nach Auffassung des Senats nicht grob unbillig iS des § 11a Abs 5 Nr 1 SGB II. …

Allerdings beeinflusst die Trinkgeldgabe im vorliegenden Fall die Lage der Klägerin nicht so günstig iS des § 11 Abs 5 Nr 2 SGB II, dass daneben die Erbringung von Alg II nicht mehr gerechtfertigt wäre. Anders als bei der Regelung in § 11a Abs 5 Nr 1 SGB II stellt § 11a Abs 5 Nr 2 SGB II maßgeblich auf die Höhe der Zuwendung ab. Es soll eine Überkompensation der bestehenden Notlage durch das Zusammentreffen einer Zuwendung mit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Gestalt vermieden werden, dass zumindest ein Teil des Alg II nicht mehr zur Bedarfsdeckung benötigt wird. Ob dies der Fall ist, fordert eine wertende Entscheidung. Ausgangspunkt ist die Höhe der Zuwendung im Verhältnis zum Regelbedarf. Insoweit gilt es zu prüfen, ob die Nichtberücksichtigung der Zuwendung angesichts ihrer Höhe dem Nachranggrundsatz der SGB II-Leistungen (§ 2 Abs 2 SGB II) zuwiderlaufen würde. Dies ist regelmäßig dann nicht der Fall, wenn die Zuwendung 10% des maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigt. Diese Grenze wahrt den Abstand zu den Freibetragsregelungen des SGB II, die insbesondere mit der Erzielung von Erwerbseinkommen verbunden sind, und hält sich auch in dem Rahmen, in dem umgekehrt belastende Minderungen des Regelbedarfs von Leistungsberechtigten hinzunehmen sein können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände des Einzelfalls eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, was hier keiner weiteren Prüfung bedurfte, da das monatliche Trinkgeld (nur) 25 Euro betrug.“